Donnerstag, 21. Juni 2012

Es bröckelt.


Arme Angie.

Die schönen Zeiten, als fast alle Ministerpräsidenten von der CDU gestellt wurden und der gesamte Bundesrat nach Merkels Pfeife tanzte, sind lange vorbei.

Vorbei ist auch die praktische EU-Konstellation mit Merkels Pudel Sarkozy, in der sie mit dem deutsch-französischen Gewicht in der Waagschale dem Kontinent den Kurs diktieren konnte.

Und nun der G20-Gipfel im mexikanischen Badeort Los Cabos, bei dem sie in einer 1:19-Isolation einsam ihre Kaputtspar-Ideologie vertrat. Jenes Konzept, das man lange diskutieren kann, das aber mit dem einen blöden kleinen Nachteil verbunden ist: Es funktioniert einfach nicht.

Vollends unspaßig ist es für die Kanzlerin des Vagen und Ungefähren aber zu Hause in Berlin.
Der renitente Gauck will ihr ESM-Rettungsschirm-Gesetz nicht unterschreiben und bringt den ganzen europäischen Zeitplan durcheinander.

Zu allem Übel hat der bipolare Horst immer noch nicht wieder seine Medikamente genommen und oszilliert zwischen Amok und Frust-Modus. Dabei hat er die gesamte K.O.alition in eine nahezu ausweglose Lage manövriert.

Stakkatohaft warnt der CSU-Chef vor einem Ende der Koalition, wenn das von seiner Partei geforderte und vom Kabinett im Grundsatz gebilligte Betreuungsgeld vom Bundestag nicht beschlossen wird. Die CSU würde ein Scheitern nicht hinnehmen, drohte der bayerische Ministerpräsident. Änderungen an der Prämie lehnt er ebenfalls kategorisch ab. "Da wird null verändert", verkündete Seehofer jüngst. "Und null heißt null Komma null." Zuletzt rüffelte er die FDP: "Die sollen jetzt endlich mal schweigen, schlicht und einfach anwesend sein im Deutschen Bundestag und umsetzen, was beschlossen ist".
[…] Beim Betreuungsgeld ist auch allen in der CSU klar, dass Seehofer ein großes Risiko eingegangen ist, indem er die Prämie zur Grundsatzfrage stilisiert hat. In der CSU-Landesgruppe wurde Seehofers Drohung mit einem Koalitionsbruch mit Verwunderung aufgenommen - es besteht die Sorge, man werde durch übertriebenen Druck die eigene Glaubwürdigkeit verspielen. Ein Zurück ist kaum möglich. Stimmt die CSU doch noch Änderungen zu, dann gilt sie als Umfaller. Scheitert das Betreuungsgeld ganz, wäre das eine riesige Blamage.

Bizarrerweise ist dieser Quartalsirre aber Merkels wichtigster Pylon ihrer bedrohlich durchhängenden Regierungskonstruktion.
Die Bundestagsmehrheit allein hat für einen deutschen Kanzler keine ausreichende Tragfähigkeit. Da ist noch der Bundesrat, in dem die Ministerpräsidenten eifersüchtig darauf achten nicht übergangen zu werden.
In den meisten Fällen ist der Bundesrat zustimmungspflichtig.

Von den 16 Ministerpräsidenten gehören im Sommer 2012 nur noch sechs der CDU und einer der CSU an. 
Reiner Haseloff, Annegret Kramp-Karrenbauer und Christine Lieberknecht sind noch nicht mal voll stimmberechtigt, da sie alle drei mit der SPD koalieren und sich bei strittigen Fragen im Bundesrat enthalten müssen.

Tatsächlich schwarzgelb sind nur noch 4 von 16 Bundesländern regiert: Hessen, Niedersachsen, Sachsen und Bayern.

Seit der letzten Bundestagswahl vom September 2009 verlor Schwarzgelb die Ministerpräsidenten in NRW, Hamburg, Baden Württemberg und Schleswig-Holstein.

Vor der Bundestagswahl in einem Jahr dürften mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch die Bundesländer  Niedersachsen (Wahl 20.01.2013) und Hessen (Wahltermin steht noch nicht fest - vermutlich Ende 2013) zurück an die Sozialdemokraten fallen.

Die letzte Umfrage über das Schicksal David McAllisters in Hannover stammt aus dem Mai 2012 von Infratest Dimap:

CDU = 32 %,  SPD = 36 %, Grüne = 13 %, FDP = 4 %, Linke = 3 %, PIRATEN = 8 %.

Auch in Hessen zieht die Fußpilz-Beliebtheit des Roland-Koch-Epigonen Volker Bouffier die CDU hinab. Die aktuellste Umfrage der ARD stammt zwar schon aus dem Januar, aber sie zeigt Schwarzgelb derartig weit von einer Mehrheit, daß es kaum vorstellbar ist, wie Bouffier sich in eine weitere Amtszeit retten könnte:

CDU = 33 %,  SPD = 31 %, Grüne = 21 %, FDP = 3 %, Linke = 4 %, PIRATEN = 4 %.

Besonders übel läuft es aber für die Niedersächsische CDU.  
 Dort klappt einfach gar nichts und es passte nur zu gut, daß David McAllister beim Versuch mit seinem Kabinett dynamische Bilder zu produzieren im wahrsten Sinne des Wortes unterging.

Der überzeugte Christ McAllister führt zudem ein besonders abartiges Stück Familienzerstörung auf, in dem er sich als xenophober Hardliner inszeniert

Vor sieben Jahren haben niedersächsische Behörden eine sechsköpfige Flüchtlingsfamilie auseinandergerissen. Hochrangige Politiker appellieren an die Landesregierung, die Familie nicht länger zu trennen. Pro Asyl beklagt "schwere Traumata" der Kinder. Sozialwissenschaftler sprechen von "institutionellem Rassismus". Doch nichts davon beeindruckt die Behörden.
Geschrieben wurden die Briefe aus Sorge und Betroffenheit. Geschickt wurden sie alle an denselben Adressaten: David McAllister, Ministerpräsident von Niedersachsen.
[…] Rita Süssmuth schrieb, es sei "unumgänglich, dass die Behörden von ihrer kompromisslosen Haltung abrücken," die "nicht nachvollziehbar" sei und nicht im Einklang stehe mit dem "Geist unserer Verfassung". Sie appellierte an den Ministerpräsidenten, "ein klares Zeichen für die humanitären, menschenrechtlichen und rechtsstaatlichen Werte unseres Zusammenlebens zu setzen".
Herta Däubler-Gmelin schrieb, es sei an der Zeit, "unmenschliche Verwaltungsentscheidungen zu korrigieren". Den Ministerpräsidenten bat sie, einzugreifen und damit "zu veranlassen, dass hier endlich Unrecht beendet wird und Menschlichkeit Einzug findet".
Rudolf Seiters schrieb von Tragik und Leid und stellte die Frage, "ob der Gesetzgeber diese Situation wirklich gewollt hat". Im Namen der Menschlichkeit bat er den Ministerpräsidenten, alles zu tun, um eine "dauerhafte, vor allem humanitären Gesichtspunkten entsprechende Lösung" zu erreichen.
 […] Es ist [aber] wie seit Jahren schon: Alle Versuche, für eine von staatlicher Sturheit ausgelöste menschliche Tragödie doch noch eine humanitäre Lösung zu finden, prallen an den niedersächsischen Behörden ab wie an einer Betonmauer.
Die Mutter leidet unter schweren Depressionen

In der Prä-Wahlkampf-Phase wären die Sozen natürlich sehr schlecht beraten so einen Fall nicht aufzugreifen. 
Also zitierte Oppositionsführer Stefan Schostok die CDU-Politikern Süßmuth und Pro Asyl.

Die politisch angebräunten adipösen Pykniker der CDU-Fraktion heuchelten aber noch nicht einmal Verständnis für die zerrissene und traumatisierte Familie, sondern empfanden es als schwere Beleidigung die Worte der aus Niedersachsen stammenden langjährigen CDU-Bundestagspräsidentin hören zu müssen.

Insbesondere der heimliche Zwilling von Holger Apfel, Herr Nacke, drehte am Rad.

  Der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Jens Nacke, sprach von einer „unglaublichen Entgleisung“. Niemand dürfe sich im Parlament dazu hinreißen lassen, der Regierung Rassismus vorzuwerfen. Auch die FDP forderte eine Entschuldigung von Schostok. […] Nacke sprach  […] von einer „Grenzüberschreitung“ im Parlament und warf der SPD sieben Monate vor der Landtagswahl einen „schmutzigen Wahlkampf“ vor. „Wenn das jetzt der Grundstil in diesem Haus ist, dass man sich gegenseitig Rassismus vorwirft, dann kann ich nur sagen: 'Gute Nacht Parlamentarismus'“, sagte auch der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Christian Grascha. Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sprach von einer „Unverschämtheit“.

Allerdings haben die „christliche“ Regierung Niedersachsens und Herr Nacke auch Grund sich aufzuregen.


 Ihre Entscheidungen sind so brutal und abartig, daß sie bald ein Fall für die UNO werden könnten.

Verletzungen der UN-Kinderrechtskonvention werfen Flüchtlingsinitiativen Niedersachsens Landesregierung vor. Mit einer „brachialen Abschiebungspolitik“ würden die Rechte von Flüchtlingskindern „häufig mit den Füßen getreten“, erklärte der Geschäftsführer des Flüchtlingsrats Niedersachsens, Kai Weber, am Mittwoch in Hannover. Pro-Asyl-Vorstand Heiko Kauffmann kritisierte, Niedersachsen stelle ausländerrechtliche Maßnahmen über das Kindeswohl.
Durch Abschiebung getrennte Familien, Kinder, die in Deutschland mit nur einem Elternteil aufwachsen müssen, all das komme in Niedersachsen immer wieder vor, führen Flüchtlingsrat und Pro Asyl an. Auch Lothar Krappmann, langjähriges Mitglied des Ausschusses der Vereinten Nationen für die Rechte der Kinder, spricht von „besonders krassen Fällen“, die sich in Niedersachsen ereignen.

Wird Zeit, daß die Wähler ein klares Wort sprechen und daß Frau Merkel die sechs schwarzgelben Bundesratsstimmen auch noch verliert.

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