Freitag, 9. November 2012

Meine Leute.




 Sympathie und „Aussehen“ lassen sich sehr schwer objektiv definieren.

Ich frage mich aber oft ob es meine rein subjektive Sicht ist, daß ich bei antagonistischen Gruppen stets die Personen der Gruppe wesentlich attraktiver und netter finde, die mir ideologisch näher stehen.

Die amerikanischen Demokraten wie Obama zum Beispiel sind besser aussehend als Republikaner wie Paul Ryan.
Gibt es auf der demokratischen Seite überhaupt solche absolut grottig hässlichen Visagen wie Gingrich, George W. Bush, Donald Trump oder Limbaugh?

Einen ganz ähnlichen Effekt beobachte ich in Deutschland. 
Diese Klasse von extrem hässlichen Unsympathen wie Roland Koch, Helmut Kohl, Strauß, Söder, Oettinger oder Mappus gibt es auf der politisch linken Seite gar nicht.

Drittes Beispiel: Katholiken versus Atheisten.
 Diese richtig grotesken Geisterbahn-Typen wie Groer, Haas, Ratzinger, Tebartz-van-Elst oder Krenn findet man einfach nicht unter den Führungsfiguren der Säkularen.

Ist das eine Henne-oder-Ei-Frage?

Finde ich die Protagonisten meiner Seite netter und schöner, weil sie meine Ansichten widergeben und ich ihnen daher unterbewusst mehr Wohlwollen entgegenbringe? 
Oder wenden sich die netteren Typen einfach automatisch auch der weniger hasserfüllten und sympathischeren Ideologie zu?

Hat das Eine mit dem Anderen gar nichts zu tun? 

Ist es womöglich ein reiner Zufall, daß „meine Jungs“, also Niko Alm, Philipp Möller, Schmidt-Salomon, Hamed Abdel-Samad, Ingrid Matthäus-Maier, Holm Putzke, Assunta Tammelleo, Johnny Depp, Björk und Dawkins allesamt so viel netter sind, als die menschlich eher abscheulichen Typen, die öffentlich für Religion eintreten? 
Ich möchte jedenfalls nur äußerst ungern Matthias Matussek, Martin Lohmann, Manfred Lütz, Martin Mosebach, Robert Spaemann und Gabriele Kuby in der Realität treffen.



Gestern habe ich kurz im Buchladen angehalten, um meine Bestellungen abzuholen.
Der Pressereferent der Giordano- Bruno-Stiftung hat zwei Jahre an Berliner Grundschulen Mathe, Sport, Musik, English und Deutsch unterrichtet, bzw versucht Unterricht zu machen. 
Die Verhältnisse sind vielfach so desperat, daß das Vermitteln von Lerninhalten unmöglich ist.
Auf 350 Seiten erzählt Philipp Möller vom beinharten Alltag als Lehrer in Berlin. Von Kindern, die Lehrer duzen, weil sie nicht wissen, wie man siezt. Weil man in deren Logik "sie" ja nur zu Frauen sagt. Da sind Kinder, die durchdrehen, wenn sie ihre Tabletten nicht bekommen. Kinder, die einfachste Rechenaufgaben nicht lösen können und auf die Frage, wie viel acht mal elf sei, mit 8000 antworten. Kinder, die an sprachlicher Obdachlosigkeit leiden, die sich im Krieg mit Präpositionen befinden, nachmittags zu "Mäckdonnilz" gehen und denen die "Röbelsäule" wehtut, wenn sie sich wieder geprügelt haben.
"Du kommst dir vor wie ein Dompteur oder wie im Jugendknast", sagt Möller, "weil du ständig sagen musst, es reicht, Schluss jetzt, setz dich hin, hör auf, deinen Nachbarn zu schlagen!'" Als Lehrer musste Möller nicht nur Wissensvermittler und Elternersatz sein, sondern Mediator, Friedensrichter und Psychologe zugleich. Und das, obwohl er nicht einmal richtiger Lehrer ist. Er nennt sich selbst eine "frontal-pädagogische Dampfmaschine".
Neu sind Möllers Erkenntnisse nicht, aber sie so geballt und mit so viel direkter Rede vorgesetzt zu bekommen, macht einen einigermaßen fassungslos.

Die psychosoziale Verwahrlosung der Hartz-IV-Elternhäuser ist offensichtlich und dennoch frappierend. 
Demoralisierend ist aber das sichere Wissen, daß die beschriebenen Dritt- und Viertklässler jetzt schon ihr Leben verpfuscht haben. 
Mit dem Hintergrund werden sie niemals einen einigermaßen vernünftigen Job finden. Sie sprechen kein Deutsch und benehmen sich abschreckend, daß kein Betrieb sie einstellen können wird.

Bevor das missverstanden wird, sei darauf hingewiesen, daß Möller nicht das geringste bisschen sarraziniert. Er stellt immer wieder klar, daß es sich um kein „Ausländerproblem“, sondern ein soziales Problem handelt. Die deutschen Kinder sind genauso von Sprachinkompetenz und Aggressivität durchdrungen.
 Außerdem weist er auf die Heterogenität der Grundschulen hin. Einige Straßen weiter können in der Nachbarschule schon ganz andere Verhältnisse herrschen.

Generell aber züchten wir uns ein Millionenheer aus ökonomischen Parias heran, die nur von Transferleistungen und der Kraft ihrer Lenden durch das Leben gezogen werden.

Die Bildungskatastrophe wird zur Sozialkatastrophe, fasst Möller zusammen, weil die „basics des menschlichen Miteinanders“ verloren gehen.

Was dagegen zu tun ist, erscheint nicht besonders rätselhaft.
Wir brauchen mehr Betreuung und frühkindliche soziale Erziehung. Die Kinder müssen in Obhut genommen werden, bevor es zu spät ist.
Wir brauchen andere und bessere Lehrer. Möller kritisiert scharf, daß für das Lehrer-Studium ausschließlich der NC ausschlaggebend ist, obwohl der gar nichts über die Eignung zu dem Beruf aussagt. Hochintelligente Menschen mit grandiosen Leistungen können trotzdem eine hohe Fistelstimme haben, unempathisch sein, zu Verkomplizierungen neigen, unkommunikativ oder viel zu schüchtern sein, um vor einer Klasse zu bestehen. 
Schwachsinnigerweise findet dieser Praxistest aber erst NACH dem Studium im Referendariat statt.

Als Konterpart zu dem Nett-Typen Möller fungiert die Ätz-Type Schavan, die seit zig Jahren in der Bildungspolitik alles nur noch verschlimmert und nicht die Notwendigkeiten erkennt.

 Unsere Bundesregierung ist nicht nur mitschuldig an der Bildungskatastrophe, die zur Sozialkatastrophe führt, sondern sie befeuert diesen Weg nach Kräften.
Was dringend erforderlich wäre - eine flächendeckende Versorgung mit KITA-Plätzen hat eine vollkommen unfähige und ideologische Kristina Schröder zu Grunde gerichtet. Es fehlen Hunderttausende Plätze.
1,5 Milliarden Euro werden jetzt zusätzlich in die Verwahrlosung der Prekären-Brut investiert, statt Grundschulen instand zu setzen, Lehrer auszubilden und Betreuungsplätze zu schaffen.

Schlimmer geht nimmer.

Und nein, die Parteien sind nicht alle gleich. Die SPD beispielsweise hat längst erkannt was zu tun wäre. 
Aber die CDU, die soeben im ARD-Deutschlandtrend den neuen Rekordwert von 40% erklommen hat, ist wild entschlossen Deutschlands Zukunft zu zerstören und der Urnenpöbel findet es toll!


Mit den aktuellen Beschlüssen hat die Koalitionsmehrheit den Weg zur
Bildungsrepublik endgültig verlassen. Anstatt die finanziellen
Voraussetzungen für einen echten Bildungsaufbruch zu legen, hat sich die
Koalition im Haushaltsausschuss für ein weiteres Durchwursteln entschlossen.

Es bleibt bei der strukturellen Unterfinanzierung des Haushaltes, es bleibt
bei großen Lücken in der Chancengleichheit von Kindern und Jugendlichen, in
der Hochschulfinanzierung und bei der beruflichen Fachkräfteförderung. Es
bleibt bei den unsinnigen und zudem kostenträchtigen Prestigeprojekten von
Frau Schavan, die wie zum Beispiel das Stipendienprogramm auch noch schlecht
laufen.

Mit diesem Etat wird Frau Schavan daher trotz der Aufwüchse keinen
qualitativen Fortschritt für das Bildungs- und Innovationssystem erreichen.
Die Bildungsrepublik lassen Frau Merkel und Frau Schavan mit diesem Haushalt
in Stich.

Dem entgegen ist die SPD-Bundestagsfraktion zu einem ersten großen Schritt
für einen Bildungsaufbruch bereit. Mit dem Antrag zur Überwindung des
Kooperationsverbotes im Grundgesetz ist der Weg zu einer kooperativen,
besseren Zusammenarbeit von Bund und Ländern auch in der frühkindlichen
Bildung und dem Schulbereich aufgezeigt. Mit dem Nationalen Pakt für Bildung
und Entschuldung will die SPD am Ende 20 Milliarden Euro im Jahr zusätzliche
für Bildung mobilisieren, je 10 Milliarden Euro von Bund und Ländern.

Als ersten Umsetzungsschritt sieht der Pakt Mehrmittel von zwei Milliarden
Euro für Bildung für 2013 vor, die verteilt auf mehrere Ressorts als
SPD-Anträge zum Haushalt eingebracht worden sind:

* Um das Angebot und die Qualität in den entscheidenden frühen
Bildungsphasen auszubauen hat die SPD-Bundestagsfraktion je 400 Millionen
Euro für den Ausbau qualitativer Ganztagsschulen und die Stärkung der
frühkindlichen Bildung beantragt.
* Zur Stärkung des Rechts auf Chancengleichheit, Integration und Teilhabe
sind weitere rund 200 Millionen Euro für ein breiteres Schüler-BAföG,
eine Alphabetisierungsinitiative und zur Stärkung von Integrationskursen
beantragt worden.
* Zur Stärkung der beruflichen Bildung und des Fachkräfteangebots sind
rund 275 Millionen Euro unter anderem für eine Berufsausbildungsgarantie
für junge Menschen und für passgenaue Qualifizierungsangebote für 1,5
Millionen junge Erwachsene ohne Berufsabschluss vorgesehen.
* Zu Sicherung einer qualitativen Hochschulbildung soll der Hochschulpakt
entsprechend der hohen Studienplatznachfrage um weitere 200 Millionen Euro
für 2013 aufgestockt werden. 150 Millionen Euro sollen für eine
Personaloffensive verwendet werden, um mit zusätzlichen Lehrstühlen und
Juniorprofessuren die Lehre sowie die Perspektiven des wissenschaftlichen
Nachwuchses zu verbessern.
* Die wachsende Bedeutung des lebensbegleitenden Lernens und der
Weiterbildung spiegelt sich schließlich in dem Antrag auf weitere 372
Millionen Euro für 2013, mit denen die Qualifizierung von über
30-Jährigen ohne oder mit veraltetem Berufsabschluss finanziert und ein
Recht auf Weiterbildung über die Weiterentwicklung der Arbeitslosen- zur
Arbeitsversicherung geschaffen werden soll.

Die Koalitionsmehrheit hat diese und weitere Anträge der SPD zum Bildungs-
und Forschungsetat komplett abgelehnt. Da der Bund zudem die Aufhebung des
Kooperationsverbotes im Grundgesetz bisher ablehnt, hat er sich
offensichtlich aus der Debatte zur Weiterentwicklung des Bildungswesens
verabschiedet. Seit den von der SPD auf den Weg gebrachten Reformprogrammen
wie Kita-Ausbau, Ganztagsschulprogramm, Exzellenzinitiative,
Studienplatzausbau und die BAföG-Rettung 2001 hat der Bund keine wichtigen
Reformanstöße mehr geben können.

(SPD-Pressemitteilung Nr. 1233, Klaus Hagemann, 09.11.2012)