Sonntag, 9. Dezember 2012

Peeeeeeeeeeeeeeeer!



 
Wenn ich eins nicht mehr hören kann, dann sind das die ewigen Unkenrufe darüber, daß alle Parteien ohnehin gleich sind und sich Politiker nicht mehr unterscheiden.
Das ist Bullshit.
CDU und SPD sind programmatisch und habituell Antipoden.

Die Union ist ein klassischer Kanzlerwahlverein, der zufrieden ist, wenn die Schwarzen an der Macht sind. CDU-Größen sind daher stets bemüht ihren Anhängern zu vermitteln, daß alles gut sei, wie es ist. Es soll sich nichts ändern, es wird schon nicht so schlimm kommen. Typische CDU-Kanzlerparolen sind „die Karawane zieht weiter“, „Keine Experimente!“, „Kurs halten“ oder „alternativlos.“

Bei Sozialdemokraten ist es genau umgekehrt. 
Schließlich wird man Sozialist, weil man etwas ändern möchte.
Sozis sind nie mit dem Ist-Zustand zufrieden; sie sind immer auf dem Sprung den Status Quo zu verändern. Für ihre Chefs ist es daher viel schwieriger im Amt zu sein. Ihre Sozen-Parteifreunde sind nämlich ungeduldig und kritisch. Sie fragen ständig nach, kritisieren ihre Bosse und erwarten schnellere Fortschritte.

Eine CDU-Chefin kann sich den Luxus leisten alle zwei Jahre vor ihren Parteitag zu treten und dort eine Stunde lang NICHTS zu sagen
Mit grauen Allgemeinplätzchen, Eigenlob und Apellen an Gefühliges wie Nation und Religion, kann sie ihr Delegiertenvolk einschläfern und sich 98% Zustimmung abholen. Ihr Fußvolk würde alles und jeden absegnen, der, die, das den Machterhalt sichert.
 „Die Kanzlerschaft von Frau Merkel ist der einzige verbliebene Markenkern der CDU geworden.“ (Steinbrück)
  Bei der SPD läuft das ganz anders. Parteivorsitzende müssen nicht unbedingt wiedergewählt werden. Scharping erlebte das im Jahr 1995, als er sich mit einer durchschnittlichen Rede um die Wiederwahl als Bundesvorsitzender bewarb und sich flugs abgesägt sah, als Kollege Lafontaine die Delegierten mit einer programmatischen Rede umstimmte.

Wenn einer sich vor so einen Parteitag stellt und ein gutes Ergebnis als Vorsitzender oder Kanzlerkandidat haben möchte, muß er eine inhaltlich stringente und substantielle Rede halten. 
Er darf sich eben nicht im Ungefähren verlieren, kann nicht mit Luftblasen beruhigen.

So eine Rede hielt der jetzige Vorsitzende Gabriel 2009 in Dresden, als die Partei am Boden lag.

So eine Rede hielt heute der mit 93,5 % zum Spitzenkandidaten erkorene Peer Steinbrück, der sich den albernen Schablonen, die ihm die Springerpresse aufzwingen will, entzog und eine inhaltliche dichte, mit Programmatik gespickte und kurzweilige Zweistundenrede hielt.
 Er benennt klar Alternativen und macht jedermann deutlich, wie er konkret die fatale Lobbyistenbeglückungspolitik, das gefährliche Dahinwurschteln der Kanzlerin subsituieren will.

So soll das sein und so einen will ich als Kanzler. 
Rund 100 Minuten redet Steinbrück. Er reißt die Delegierten nicht mit. Aber sie sind angetan von ihm, was auch daran liegt, dass er immer wieder auf rote Kernthemen zu sprechen kommt. Steinbrück entwirft detailliert seine Vorstellungen einer gerechten Gesellschaft. Er spricht über die Renaissance der sozialen Marktwirtschaft, über Steuererhöhungen, die Stärkung der Kommunen, den Mindestlohn und bezahlbaren Wohnraum.

"Deutschland braucht wieder mehr Wir und weniger Ich", ruft Steinbrück. Seine Leute danken es ihm mit zehn Minuten Applaus. Steinbrück ist in die Familie aufgenommen, wer hätte das gedacht.
 Steinbrück ist links und gibt den Kurs vor: Rot-Grün und nichts anderes.
Steinbrück redet und redet, die Delegierten klatschen und klatschen. Nach fast jedem Satz, jedem Gedanken. Selbst wenn sie noch so besoffen wären von seiner Kandidatur: Wäre es keine gute Rede, gäbe es auch weniger Beifall. Hier hat Steinbrück seine Kritiker überzeugt. Jene die glauben, er könne nur über Finanzmarktkrisen sprechen. Das hat er so gut wie gar nicht getan, sich ausufernde Monologe zu Bankentrennung und Finanzinstrumenten gespart. "Das kennt ihr alles schon von mir".

Stattdessen war dies das gesellschaftspolitische Manifest eines Mannes, der das Land regieren will, der Kanzler werden will. Ein Mann, der auch gegen eine Frau in den Ring steigt und in der Lage ist gnadenlos zuzuschlagen.
Als Hausaufgabe bitte ich darum, daß jeder die Rede anhören, oder lesen möge.