Mittwoch, 23. Oktober 2013

Sich selbst am Nächsten




Merkel und Bürgerrechte. Das ist eine Beziehung wie zwischen Vampir und Knoblauch.

Als Herr Gysi in den 1990er Jahren im Bundestag saß und über Lauschangriff, Einschränkung des Asylrechts und Videoüberwachung diskutiert wurde, trat er einmal ans Rednerpult und stellte fest, in seiner bundesrepublikanischen Zeit hätten sich 100% der Gesetzesentwürfe zu den Bürgerrechten nur mit der EINSCHRÄNKUNG derselben beschäftigt. 
Noch nie sei es um die Ausweitung von Bürgerrechten gegangen.

Hihi, da war aber was los.
 Den Konservativen ist fast der Kopf geplatzt vor Empörung.
Bebend vor Wut deklinierten sie ihre Gysi-Konnationsliste runter:
„Stasi, SED, Kommunismus, Überwachungsstaat,…“
Die Vorwürfe kämen ja gerade von der richtigen Seite!

So ist das eben in Bundestagsdebatten. 
Daß Gysi RECHT HATTE, mit dem was er sagte, spielte keine Rolle, weil es eben der Falsche war, der es sagte.

Besser geworden ist es nicht seitdem.
Dazwischen waren noch die Antiterrorgesetze, Innenminister Schäuble, Bundestrojaner, Zensursula, großflächige Videoüberwachung in allen Innenstädten, Nacktscanner, verschärfte Abschiebungen etc pp.

Bürgerrechtlich betrachtet nähern wir uns Russland und China an.

Eine kleine Ausnahme gibt es bei den Homorechten, die von RotGrün ein bißchen angehoben wurden (aber nicht etwa auf das Hetero-Niveau).
Eine gewisse Christin namens Angela Merkel ging auf Fundamentalopposition, klagte gegen die „Homoehe“ und stellt sich auch 2013 hartnäckig gegen Steuersplitting und Adoption für gleichgeschlechtliche Paare.

In der schwarzgelben Regierungszeit wurden die Bürgerrechte kontinuierlich weiter abgebaut.
Besonders erbärmlich buckelt Merkel vor den Amerikanern, deren Wünschen sie das Wohl ihrer Bürger bedingungslos unterordnet.

Rückblick auf 2010:

FDP-EU-Mann Chatzimarkakis im Januar 2010:
Ich habe sehr klar gemacht, dass ich es als nicht akzeptabel ansehe, sollten die USA in Zukunft Millionen von Finanzdaten europäischer Bürger ins Blaue hinein "abschöpfen" können. Das Europäische Parlament hat dabei bis zuletzt gegen das Swift-Vorhaben gekämpft. Wir haben den Rat wiederholt davor gewarnt, ein derartig weitreichendes Abkommen zu beschließen. Der deutsche Bundesinnenminister hat sich entgegen der Haltung von Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger im Rat bei der Abstimmung enthalten. Das nun beschlossene Abkommen gilt zunächst nur befristet, es wird also absehbar sein, dass ein neues Abkommen in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament erarbeitet werden wird.
Als Ihr gewählter Vertreter kann ich Ihnen eines versprechen: Ich werde gemeinsam mit meinen FDP-Kollegen darauf achten, dass die Bürgerrechte nicht in der letzten, sondern in der ersten Reihe sitzen.

Juni 2010: Leutheusser-Schnarrenberger ist eingeknickt und läßt jegliche SWIFT-Aktivität vermissen.
Wie auch in der Missbrauchscausa beweist sie keinerlei Rückgrat und läßt die CDU-Kollegen machen was sie wollen:

Die Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger lässt dem Innenminister beim Swift-Abkommen freie Hand. […] Zwar steht in Brüssel der Beschluss des Swift-Abkommens mit den USA unmittelbar bevor. Doch anders als beim ersten Versuch im November 2009 gibt es diesmal in der Bundesregierung keinerlei Auseinandersetzungen, nicht einmal hörbare Diskussionen. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) tun diesmal so, als ginge sie das alles gar nichts an. Die Justizministerin hat jede Kritik eingestellt. […] Im April beschloss der FDP-Parteitag in Köln, dass im Swift-Abkommen die Datenübermittlung "in Paketen" ausgeschlossen werden soll. "Die FDP lehnt einen präventiven Datenaustausch ab." Den Antrag hatte Leutheusser-Schnarrenberger vorbereitet. Nun geht sie auf Tauchstation.
(Christian Rath in der taz)

So viel zum Thema Profilstärkung der FDP und Wiederentdeckung des Themas Bürgerrechte.

Vielleicht hat sich die Justizministerin besonnen auf Lindner-Art Profil zu gewinnen und trägt demnächst nur noch schmal geschnittene Maß-Kleider.
SWIFT ist durch; die FDP muckt nicht auf.

Deutschland hat dem Swift-Abkommen über die Weitergabe von Bankkundendaten an die USA zugestimmt. Dies teilte Innenminister Thomas de Maizière (CDU) am Montag mit. Laut EU-Diplomaten haben alle 27 Mitgliedstaaten der Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und den USA zugestimmt.
(SPON)


Heute wissen wir, daß der Stasi-Überwachungsstaat nur ein bißchen Kindergartenspielerei war verglichen mit der systematischen Ausforschung der Deutschen durch US-amerikanische und britische Geheimdienststellen.
Aber wie gewöhnlich pfeift Merkel auf ihren Amtseid. Sie denkt gar nicht daran „Schaden vom deutschen Volk abzuwenden“, sondern läßt den Millionenfachen Rechtsbruch desinteressiert geschehen.
Sie macht sich doch nicht das Leben schwer, indem sie sich mit Washington rumstreitet. Stattdessen erfüllt lieber brav die Interessen der potenten CDU-Parteispender und drückt BMW- und Daimler-konforme Regelungen in Brüssel durch.
Selbst die konservative Springer-Presse moniert das Phlegma  der Kanzlerin in diesen Fragen.
Daß die USA unter Obama systematisch Verbündete ausspähen, um „Information Dominance“ zu erlangen und dabei auch Brüssel abhören, oder auch Kostenkalkulationen von Airbus dem US-Konzern Boeing zuzuspielen, kümmert Merkel nicht. Andere Regierungschefs hauen durchaus vernehmlicher auf den Putz.

Merkel schweigt, Hollande attackiert  [….]
Die Reaktionen des französischen Staatspräsidenten François Hollande und von Bundeskanzlerin Angela Merkel markieren zwei sehr unterschiedliche Positionen dazu. Merkel will die guten Beziehungen zu den USA nicht beschädigen und verzichtet auf öffentliche Entrüstung. Darüber, ob und inwieweit sie dies inoffiziell tut, kann allenfalls spekuliert werden. Es entsteht jedenfalls der Eindruck, dass Merkel sich von den USA ein massives Eindringen in deutsche Belange gefallen lässt. Hollande hingegen bestellt den US-Botschafter ein und fordert ein sofortiges Abstellen der Spionage. Nun ist bekannt, dass Hollande tief im Keller der Popularität sitzt und nach jeder Chance der Profilierung greift. Immerhin – der Präsident attackiert und zwingt Obama zu einer Reaktion.
Die Deutschen hingegen sind in eine Art Duldungsstarre verfallen.

Hollandes Eintreten für französische Interessen mit seinen miesen Popularitätswerten zu erklären, halte ich für etwas zu einfach.
Französische Präsidenten sind noch nie durch Minderwertigkeitskomplexe aufgefallen.

Am selben Tag, an dem dieser Kommentar im Abendblatt erscheint, wird auch bekannt, daß Merkel PERSÖNLICH von der Abhörpraxis der Amerikaner betroffen ist.
Und sofort ändert sich ihr Verhalten um 180°.
Was sie eben noch akzeptabel fand, als nur die 82 Millionen anderen Deutschen abgehört wurde, bringt sie sofort in Wallung, wenn es um ihre Privatsphäre geht.

Bundeskanzlerin Angela Merkel war möglicherweise über Jahre hinweg Ziel US-amerikanischer Geheimdienste. Ernstzunehmende Hinweise darauf haben Merkel veranlasst, sich am Mittwoch direkt bei US-Präsident Barack Obama zu beschweren.
Diese Hinweise legen nahe, dass US-Geheimdienste Merkels Handy zum Zielobjekt erklärt haben. In dem Telefongespräch mit US-Präsident Barack Obama forderte Merkel am Mittwoch eine umfassende Aufklärung der Vorwürfe.
Die Kanzlerin habe klargemacht, "dass sie solche Praktiken, wenn sich die Hinweise bewahrheiten sollten, unmissverständlich missbilligt und als völlig inakzeptabel ansieht", sagte ihr Sprecher Steffen Seibert. "Dies wäre ein gravierender Vertrauensbruch. Solche Praktiken müssten unverzüglich unterbunden werden."
[…]   Die SPD fordert umfassende Aufklärung seitens der USA. "Sollte dieser Vorwurf zutreffen, wäre das ein ganz schwerer Vertrauensbruch", sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Mittwochabend. Noch im Wahlkampf hatte Oppermann der Kanzlerin vorgeworfen, die Affäre um die Ausspähung durch den US-Geheimdienst NSA nicht energisch genug aufzuklären.

Eigentlich die gerechte Strafe für eine Kanzlerin, die sich so demonstrativ nicht um die Bürgerrechte ihrer Untertanen kümmert.

Im ARD-Sommerinterview hatte Angela Merkel die Frage noch abgetan: "Mir ist nichts bekannt, wo ich abgehört wurde", sagte die Kanzlerin. Und man hatte dabei nicht das Gefühl, dass sie das Problem sonderlich ernst nahm. Ihre Antwort klang eher so, als ob sie die Sorge der Journalisten ziemlich übertrieben findet. Das war im Juli. Heute würde die Kanzlerin den Satz wohl gerne aus den Archiven tilgen.
[….]    Als Chefin der Bundesregierung muss sich Merkel trotzdem harte Vorwürfe gefallen lassen. Sie selbst hat sich zwar in allen Einlassungen zur NSA eine Hintertür offen gelassen. Die Kanzlerin hat nie endgültig ausgeschlossen, dass die US-Dienste deutsche Politiker ausspähen. Derlei Festlegungen sind auch nicht ihre Art. Aber Merkel ist auch für ihren Kanzleramts- und ihren Innenminister verantwortlich. Die beiden sind eigentlich dafür da, Schaden von Deutschen abzuhalten.
Ronald Pofalla hat trotzdem gemeint, die NSA-Affäre für beendet erklären zu müssen. Und Hans-Peter Friedrich sagte, "alle Verdächtigungen" seien ausgeräumt. Es habe "viel Lärm um falsche Behauptungen" gegeben, die sich nun "in Luft aufgelöst haben". Das war im August. Die Stellungnahmen von Pofalla und Friedrich waren schon damals absurd. Die beiden Minister müssten qua Amt eigentlich die Chefaufklärer sein, sie waren aber nur die Chefverharmloser.
Merkel muss sich aber auch einen zweiten Vorwurf gefallen lassen. Als im Raum stand, dass Deutsche massenhaft von der NSA abgehört werden, schickte sie nur Friedrich in die USA. Jetzt geht es um ihr eigenes Telefon - und auf einmal kümmert sie sich selbst um die Vorwürfe.
[…]  Barack Obama ist kein Friedensnobelpreisträger, sondern ein Unfriedensstifter.