Dienstag, 4. Oktober 2016

Eigenartige Amis



Wann habe ich eigentlich das erste mal gewählt?
Peinlicherweise weiß ich das gar nicht mehr.
Ich glaube, das war 1988, als es um George H Bush versus Michael Dukakis ginge.
Ich erinnere mich dunkel, daß ich damals in Osteuropa rumreiste und im Sommer 1988 auch einen Onkel von mir besuchte, der in der Dordogne lebte, der mich über Bukarest ausfragte, daß ich mein damaliges Feindbild Ronny Reagan wüst beschimpfte und ich meinem Onkel erklärte diese grauenhafte interventionistische Politik, bei der die USA ständig kleinere Länder überfielen oder bombardierten, hätte bald ein Ende, wenn Dukakis diesen Kriegstreiber im Weißen Haus ablöse.
Mein Onkel hatte aber in Le Monde und der Herald Tribune gelesen, daß sich die Umfragen drehten und George Bush wohl Dukakis schlage, da die Amis immer noch so begeistert von Reagan wären, daß sie seine Politik unbedingt weitergeführt haben wollten.
Das konnte ich ja nicht glauben. Wieso könnte jemand den ehemaligen CIA-Direktor Michael Dukakis vorziehen?
Was wußte mein Onkel, der irgendwo auf dem  Land in Frankreich lebte schon?
Seit dem habe ich immer die Demokraten gewählt. So schwer war das auch gar nicht; nachdem ich mich einmal im USA-Konsulat registrieren lassen hatte, bekam ich die Wahlunterlagen immer automatisch alle zwei Jahre zugeschickt.
Irgendwann nachdem George W. Bush Präsident wurde, habe ich mich auch als Demokrat eintragen lassen, um zukünftig auch bei den Vorwahlen teilzunehmen.
Der Effekt war, daß ich nach meinem Outing als Bush-Gegner gar keine Wahlunterlagen mehr bekam und 2004 nicht wählen konnte, als GWB unfassbarerweise klar gegen Kerry gewann.

Beweisen oder belegen kann ich nichts, aber es ist schon erstaunlich, daß ausgerechnet während der Bush-Administration die Wahlunterlagen von „democrats abroad“ verloren gingen.

Anschließend ließ ich mich wieder als „independent“ listen und bekam auch wieder Wahlunterlagen, so daß ich 2008 Obama wählen konnte.

Dieses Jahr bin ich wieder Demokrat und habe mich extra über eine demokratische Werbeseite registrieren lassen, um der Kampagne zu helfen.

Vielleicht ist das nicht jedem in Europa wirklich klar wie das in den USA läuft:
Da gibt es keine Meldepflicht, keine Schalter am Ortsamt, bei denen man eine Meldebestätigung abholt.
Man wird also nicht automatisch benachrichtigt, wenn Wahlen anstehen, so daß man bequem und mit genügend Zeitpuffer Briefwahlunterlagen anfordern kann.

Tatsächlich liegt darin einer der Schlüssel zum Erfolg einer Präsidentschaftskampagne.
Inhalte sind nicht so wichtig; interessanter ist die logistische du organisatorische Power der Kampagnen.
Wer schafft es seine Leute registrieren zu lassen?

[…..] Nach Angaben des Statistischen Bundesamts in den USA sind etwa 65 Millionen Amerikaner - knapp ein Drittel der Stimmberechtigten - noch immer nicht als Wähler erfasst. Für beide Kandidaten stellt der gewaltige Pool der Nicht-Registrierten eine große Chance, aber auch eine große Unsicherheit dar: Gerade in den "Swing States", in denen oft wenige Stimmen den Unterschied ausmachen, könnten neue Wähler am Ende das Zünglein an der Waage sein. Entsprechend hart ist der Wettlauf, den beide Lager sich im Hintergrund um diese Gruppe liefern. Es herrscht ein Datenkrieg. Beide Kampagnen besitzen Berge von Adressen und Telefonnummern, um an jene Bürger heranzukommen, die es zu mobilisieren gilt.
Nur wer ist erfolgreicher? Trump - könnte man denken. Jedenfalls scheint naheliegend zu sein, dass ein Großteil der 65 Millionen Nicht-Registrierten empfänglicher für Trumps Anti-Washington-Kurs ist als für Clintons traditionelle Kampagne. Bisher allerdings - und das ist bemerkenswert - lässt sich in der Empirie nicht feststellen, dass der Milliardär besonders viele seiner Fans dazu bringt, sich erstmals zu registrieren. […..]

Erstaunlicherweise konnte ich mich dieses Jahr recht leicht registrieren lassen.
Online konnte ich den Antrag downloaden, füllte ihn aus und schickte ihn direkt an mein Home-County in NY.
Wenige Tage später bekam ich eine Bestätigung, daß mein Antrag eingegangen sei und wiederrum wenige Tage später erhielt ich per Email einen personalisierten Link, um den Wahlzettel sowie die Umschläge downzuloaden.


Ich verstehe nicht so ganz, wie sich die Amis sicher gehen, daß ich den Wahlzettel nicht zehn Mal ausdrucke und zehn Stimmen abgebe. Quasi di Lorenzo 3.0.

Unterschreiben mußte ich die folgende Erklärung:

STATEMENT OF SPECIAL PRESIDENTIAL VOTER
  I do declare I am a qualified special presidential voter of said district; that I am not qualified and am not able to qualify to vote elsewhere than as set forth on the reverse side of this envelope; that I am a citizen of the United States; that on the date of the election for which this ballot is voted, I will be at least eighteen years of age; and that I have not committed any act, nor am I under any impediment, which denies me the right to vote.
  I hereby declare that the foregoing is a true statement to the best of my knowledge and belief, and I understand that if I make any material false statement in the foregoing statement, I shall be guilty of a misdemeanor. Date..........20......

Bin ich blind, oder  wieso übersehe ich eine Passus, der sagt, daß ich nur einmal wählen kann?

Am Wochenende druckte ich alles aus, faltete die Umschlagvordrucke akkurat nach der Anleitung, malte die Punkte bei Hillary Clinton, Chuck Schumer und Anna Thorne-Holst aus, steckte den Wahlzettel in den Umschlag mit dem unterschriebenen Statement und diesen wiederum in der weiteren Umschlag an mein County in NY.

Heute Morgen brachte ich das zur Post, weil ich sicher gehen wollte, und den Brief per Einschreiben aufgab.

Als ich vorhin nach Hause kam, lag in meinem Briefkasten einer dieser länglichen US-Umschläge:

„Official Absentee Balloting Material – First Class Mail“

Ich kann schon wieder wählen!

Und während ich das hier niederschreibe, bimmelt erneut mein Mailserver.

Wieder eine Mail aus NY; ich solle doch mal wieder bei Secure-Ballot reinsehen, um eine

Federal Post Card Application (FPCA) for Absentee Ballot

zu erhalten, damit ich die Wahlunterlagen requesten könne.

There may have been a change to your electronic ballot by your local election official. Please return to https://ny.secureballotusa.com/ to retrieve the latest ballot.

Aha!

Auf der Seite kann man seine eigene Wahl tracken.

Mal gucken. Dazu muß ich nur meinen Nachnamen und das Geburtsdatum eingeben – zack; schon haben sie mich gefunden und bieten an:

[….] Federal Write-In Absentee Ballot (FWAB)
If you have not yet received your ballot and/or one is not available for download, you may complete a Federal Write-in Absentee Ballot by clicking on the "Create" button to the right. [….]

2004 habe ich mich extrem geärgert gar keine Wahlunterlagen bekommen zu haben.
Ist ja schön, daß ich dieses Jahr wählen kann. Aber diesmal ist es ins andere Extrem umgeschlagen.
Reicht es  nicht, ein oder zweimal zu wählen?
Wie oft soll ich denn noch den  Wahlzettel ausdrucken und nach Amerika schicken?