Samstag, 4. November 2017

Luxusgüter



Nachdem ein Berliner Freund drei Jahre in Shanghai gelebt hatte, sagte er mir, der große Unterschied zwischen den beiden Städten sei folgender:

Wenn Du in China einen teuren Mercedes parkst, denken die Passanten wohlwollend, „toll, da hat es einer geschafft. Ich kann mir den nicht leisten. Noch nicht. Werde aber alles dafür tun, auch mal so ein Auto zu besitzen.“
Wenn Du in Berlin einen teuren Mercedes parkst, denken die Passanten stinkwütend „ so einen kann ich mir nicht leisten, also soll das Bonzenschwein auch keinen haben“ und dann zerkratzen sie den Lack.

Ich bin sehr links, wenn es um Verteilungsgerechtigkeit und Nachhaltigkeit geht. Ich wünsche mir eine starke Rolle des Staates, möchte öffentliche Versorger nicht der Marktwirtschaft überlassen. Ich finde, Gesundheit darf keine Ware sein, an der Herr Broermann auf Kosten der Kranken Milliarden verdient. Ich sympathisiere mit einem kostenfreien ÖPNV.
Natürlich müssen Superreiche wie die Quandts und Albrechts stärker besteuert werden und nicht wie jetzt weniger als Angestellte. Ich bin für staatliche Konjunkturprogramme und Kulturförderung. Und selbstverständlich sollten die Parlamente die ökonomischen Rahmen so setzen, daß Altenpfleger und Putzfrauen nicht ausgebeutet werden, sondern sich auch Wohnungen in den Städten leisten können und nicht im Alter darben müssen.

Definitiv bin ich aber kein Neid-Linker. Wenn ich auf der Straße einen 300.000,--Ferrari sehe, möchte ich, daß er umweltfreundlich ist, nachhaltig produziert wurde. Überhaupt 300.000,- für ein Auto auszugeben stört mich gar nicht.
Es ist doch prima, wenn eine Lange & Söhne-Armbanduhr für eine halbe Millionen Euro hergestellt und verkauft wird.

[….] 2013 stellte die Glashütter Manufaktur A. Lange & Söhne ihre komplizierteste Armbanduhr namens Grand Complication vor. Die Luxusuhr kostet 1.920.000 Euro. Für diesen Preis haben sie auch einiges zu bieten: Die Schlagwerkfunktion bietet die Wahl zwischen Petite Sonnerie (automatischer Stundenschlag), Grande Sonnerie (automatischer Stunden- und Viertelstundenschlag) und Minutenrepetition (Stunden-, Viertelstunden- und Minutenschlag auf Abruf). Ein Schieber am unteren Gehäuserand ermöglicht einen Wechsel zwischen großem und kleinen Geläut. Der obere Schieber entscheidet zwischen „Schlagen“ oder „Ruhe“. Ein weiteres Ausstattungsmerkmal der Luxusuhr aus Glashütte ist ein ewiger Kalender mit der Anzeige von Datum, Wochentag, Monat, Schaltjahreszyklus und Mondphase. Den Begriff „große Komplikation“ vervollständigt der Chronograph, der in diesem Fall die Sekunden aus der Mitte und die Minuten bei zwölf Uhr zählt. Doch das reicht der sächsischen Marke noch nicht: Die Chronographenfunktion wurde zum einen um einen Schleppzeigermechanismus zum Erfassen von Zwischenzeiten erweitert und zum anderen zeigt eine blitzende Sekunde bei sechs Uhr die gestoppten Sekundenbruchteile in Fünftelschritten an. 876 Einzelteile setzten sich zum komplizierten Manufakturkaliber L1902 mit Handaufzug zusammen. Ihre Montage und Justierung ist so aufwendig, dass die Uhrmachermeister in Glashütte nur eine dieser Luxusuhren pro Jahr fertigen können. [….]

Natürlich ist das nicht notwendig, um die Zeit zu erfahren, aber es schafft Arbeitsplätze, fördert Innovationen, bringt der Allgemeinheit eine Menge Steuern ein, ist nachhaltig, weil so ein kleines mechanisches Wunderwerk prinzipiell ewig hält und es ist auch noch umweltverträglich, weil weder unter giftigen Bedingungen seltene Mineralien geschürft werden müssen, noch zig Liter Benzin für den Betrieb einer Uhr zu Kohlendioxid verwandelt werden.
Luxus an sich begrüße ich. Es verbietet sich dabei generell bei Kunst – und das gilt auch für Handwerkskunst – den absoluten Wert abschätzig zu betrachten, oder Kunst für unnötig zu erklären. Niemand muss verstehen, wieso jemand für ein besonderes Kleid 50.000 Dollar ausgibt, wenn man den gleichen wärmenden Effekt auch mit T-Shirtstoff für 5 Euro erreicht.
Niemand muss für eine besondere Flasche Wein oder Whisky 10.000 Euro ausgeben. Betrunken wird man genauso effektiv mit einem 2,99-Schnaps aus dem Discounter. Ob der Genuss darüber hinaus weitere 9.997,01 Euro wert ist, muss niemand nachvollziehen können. Es sei aber dem Genießer gegönnt.
Immerhin ist zu vermuten, daß die Arbeitsbedingungen auf dem Weingut für die 10.000-Euro-Flaschen, die Vertriebswege, die Rücksichtnahme auf Umweltverträglichkeit, sowie der gesellschaftliche Mehrwert durch Steuereinnahmen und zusätzliche arbeitsintensive Leistungen (Werbung, Önologie-Zeitschriften, Kristallglashersteller…) erheblich größer ist, als bei dem möglichst billig produzierten Fusel.

Selbstverständlich erlauben es meine persönlichen finanziellen Verhältnisse nicht die genannten Luxusgegenstände zu erstehen.
Glücklicherweise interessieren mich einige von ihnen ohnehin nicht. Aber nur weil ich mir so etwas selbst nicht leisten kann, würde ich den Genuss anderen niemals missgönnen oder gar sanktionieren wollen.
Hätte ich unendlich viel Geld, würde ich natürlich Wohltaten verteilen, aber zu meinem persönlichen Vergnügen einige Originale von Francis Bacon, Egon Schiele und Pierre Soulages kaufen.
Insbesondere für die ersten beiden sind inzwischen achtstellige Summen notwendig. Eine leere Wand könnte ich selbstverständlich auch mit einem 10-Euro-Poster verzieren, aber die Originale der drei Maler haben mich in Ausstellungen so ungeheuer fasziniert, daß ich davon überzeugt bin mit einer Reproduktion nicht gleichermaßen glücklich zu sein.

Es ist gut, daß sowas existiert. Von den ökonomischen Auswirkungen profitiert letztendlich die gesamte Gesellschaft.
Nicht nur direkt durch Steuereinnahmen und Arbeitsplätze (Feinuhrmacher, Materialforscher, Galeristen, Logistiker, Farbhersteller, Versicherer, Kunstexperten, Journalisten), sondern auch durch Verbesserungen für Alltagsprodukte, die nur möglich sind, weil im Highprice-Segment viel investiert wurde und große Fertigkeiten erworben wurden – Patente, neue Materialien.

Linke sollten also nicht grundsätzlich Millionäre und Milliardäre verdammen.
Viele extrem Wohlhabende setzen sich für liberale und soziale Ziele ein.
Ich verdamme es aber, wenn Superreiche sich überproportional Einfluss erkaufen und für die maßgeschneiderte Gesetze erkaufen.

Der drittreichste Mensch der USA, Warren Buffett, Vermögen 80 Milliarden Dollar, beklagte immer wieder diese absurden Ungerechtigkeiten.
Warren Buffett zahlt weniger Steuern als seine Sekretärin Debbie Bosanek; geschätztes Jahreseinkommen: 50.000 Dollar, für die sie etwa 36 Prozent Steuern zahlt. Ihr Boss zahlt gute 14%.
Es ist Aufgabe der Gesellschaft nicht so blöd zu sein einen Politiker wie Donald Trump zu wählen, der sich intensiv daran macht die Steuern für die Superreichen noch weiter zu senken.
Es ist Aufgabe der Politik die Steuergesetzgebung so zu gestalten, daß die Multimillionäre nicht durch die Maschen schlüpfen und immer reicher werden, weil sie nichts zum Staatshaushalt beitragen.
Es ist aber nicht die Aufgabe der Politik Multimillionäre grundsätzlich zu bekämpfen.

Es ist nicht unsere Aufgabe die Sinnhaftigkeit von Luxus grundsätzlich zu beurteilen.
Luxus, der anderen schadet muss unterschieden werden von „gutem Luxus“.
Die Uhr und das Gemälde betrachte ich aus den oben genannten Gründen als positiv.
Anders sieht es bei Yachten aus, die tonnenweisen Schweröle verbrauchen, Manatis die Rücken aufschlitzen.
Flugreisen müssten gewaltig besteuert werden, weil sie maßgeblich durch den Kerosinverbrauch ausgerechnet in den sensiblen Luftschichten zur Klimakatastrophe beitragen. Pelzmode ist selbstverständlich aus grundsätzlichen moralischen Erwägungen abzulehnen.
 Großwildjagd, wie sie den Trump-Söhnen gefällt, die zu gern Elefanten, Löwen und Leoparden erschießen sind ganz mieser Luxus.
Schmuck mit Blutdiamanten oder unter brutalen Bedingungen in Myanmar geschürften Rubinen ist schlecht; Schmuck aus fair geschürften und gewonnenen Edelmaterialien aber nicht.
Haute Cuisine mit Michelin-Sternen ist zu begrüßen, weil es eine hohe Kunst ist, die viel Umsatz und Arbeitsplatze schafft.
Nicht zu begrüßen ist es natürlich, wenn dabei brutale Stopfleber oder Kaviar von fast ausgestorbenen Stören verwendet wird.